Kategorie-Archiv: Leben mit Stoffwindeln

Sauber- und Trockenwerden

Am letzten Wochenende gab es in der Süddeutschen ein kleines Interview mit Remo Largo über Konsumerziehung. Das hat jetzt nicht so viel mit Sauber- und Trockenwerden zu tun, sondern vielmehr damit, dass ich daraufhin die „Babyjahre“ mal wieder aus dem Schrank zog, um darin zu blättern.

Hängen blieb ich im Kapitel zum trocken und sauber werden. Unsere Tochter kündigt schon seit ca. einem Jahr an, wenn sie groß muss, und dass sie sich aufs Töpfchen oder Klo setzen kann, weiß sie auch schon seit vielen Monaten. Nur hat sie in der Regel keine Lust dazu (lustigerweise wenn, dann nur auswärts). Wir wickeln weiter, so lange sie das so möchte. Wir bieten es ihr an, gemeinsam aufs Klo zu gehen, und wenn sie nicht will, dann eben nicht. In der Krippe gibt es ein Miniminiklo, kaum höher als ein Töpfchen, aber richtig mit Spülung und allem Pipapo; da setzt sie sich jetzt immer öfter drauf. Ich bin gespannt, wie es sich weiter entwickelt.

Unsere Tochter ist jetzt ungefähr 2,5 Jahre alt. In der Krippe gibt es einige wenige, die schon trocken sind, andere wiederum denken noch gar nicht daran. Ich schätze, sie ist so in der guten Mitte. Es stellt sich ja immer wieder die Frage, ob stoffgewickelte Kinder früher trocken werden als WWW-gewickelte. Und ich denke, es ist nicht das Material selbst, sondern – neben den körperlichen Voraussetzungen des Kindes – Rahmenbedingungen, die einen Einfluss haben können. Nun steht im Largo (Babyjahre, S. 542):

[quote]Können die Eltern den richtigen Zeitpunkt für die Sauberkeitserziehung verpassen? Dies kann in der Tat geschehen, nämlich dann, wenn die Eltern nicht adäquat auf das Verhalten des Kindes reagieren.[/quote]

Was er damit meint, ist die Unterstützung des Kindes, wenn es Anzeichen darauf gibt, sauber werden zu wollen (z.B. Interesse bei anderen, Hose herunter ziehen). Verstreicht diese Phase, gewöhnt sich das Kind an, weiterhin in die Windel zu machen. Ich habe hier zwei Thesen, die pro Stoff sprechen, aber nicht unbedingt müssen:

  1. Stoffwickelnde Eltern beschäftigen sich schon per se etwas mehr mit den Ausscheidungsvorgängen beim Kind und haben eventuell eine größere Sensibilität dafür. Zum Beispiel lässt sich die Entwicklung des Pieselverhaltens denke ich ganz gut mit Stoff beobachten, während WWW einfach immer nur Flüssigkeit zu Gel macht.
  2. WWWs halten schön trocken. Vielleicht gewöhnt sich das Kind dann schneller daran, doch weiterhin reinzumachen, weil es ja so schön trocken ist? Wäre es ihm nicht mit Stoff irgendwann unangenehm mit dem feuchten Stoff? –> Hieran schließt übrigens auch meine These an, dass den Kindern bis dahin der Kontakt zu feuchtem Stoff in der Regel nichts ausmacht.

Nun, dies schließt natürlich überhaupt nicht aus, dass WWW-wickelnde Eltern nicht genauso diese Sensibilität besitzen, und das Kinder trotzdem die WWW von sich reißen, weil sie es unangenehm finden. Ganz zu schweigen von dem Zeitpunkt, wann diese Phase eintritt. Bei dem einen Kind mit anderthalb, bei dem anderen Kind mit vier oder noch später. Und ich denke, das hat nicht so viel mit dem Material zu tun.

Also gilt am Ende nur der Ansatz, dem Kind ein gutes Vorbild zu sein, auf seine Signale zu hören und es nicht zu drängen – egal, ob mit Stoff oder WWW. Aber mal ehrlich: Die Perspektive macht’s doch auch, oder? Mit Stoff würde ich nach dem Trockenwerden wahrscheinlich wehmütig auf die Wickelzeit zurückschauen. Mit WWW wäre ich nur froh darüber, den Kostenpunkt endlich von der Liste streichen zu können.

PS: Ich habe hier glaube ich Sauber- und Trockenwerden mehr oder weniger synonym verwendet. Ich denke, es geht beim Sauberwerden um die motorische Fähigkeit, aufs Töpfchen zu gehen, während das Trockenwerden die physiologische Fähigkeit der Darm- und Blasenkontrolle beschreibt. Sollte dies nicht richtig sein, bitte ich um Korrektur 🙂

Papa wickelt

Vom Papablogeintrag auf den Seiten der Windelmanufaktur angestachelt, hat Sören nun auch einen Beitrag geschrieben. Nein, eigentlich wollte er bei Volker nur einen Kommentar hinterlassen, aber der ist so sehr ausgeartet, dass er daraus doch einen eigenen Beitrag schrieb… Here it is: 

Als das Kind schon  mit großen Tritten näher kam, hatte ich mir über das Windelproblem noch keine Gedanken gemacht – es war schlicht nichts, was auf meiner Problemliste auftauchte. Pampers. Was sonst? Alternativen kamen mir nicht in den Sinn. Allenfalls Discounterwindeln, über die ich nichts Gutes gehört hatte und deshalb nicht als Alternative sah.

Der Gedanke ans Wickeln bereitete mir kein Kopfzerbrechen, aber es war auch nicht das, worauf man sich vor der Geburt freute, es sollte einfach funktionieren.

Woher hätte man auch auf Stoffwindeln kommen sollen? Kontakt zu anderen Eltern mit kleinen Kindern bekam ich erst nach der Geburt und wie die Quote der Stoffwindeln da so ist, dürftet Ihr alle wissen. Auch sonst wird einem das Thema nirgendwo nahegebracht.  Dann kam Thu mit der Idee an, mit Stoff zu wickeln. Phase 1.

1. Ach, Stoffwindeln?

Wie vermutlich viele andere stellte ich mir zuvor unter Stoffwindeln allenfalls Mullwindeln, mehrfach gefaltet, irgendwie um den Babykörper gewickelt, mühselig verknotet, vor. Saubermachen? Eklig. Wickeln? Kompliziert. Ich hatte nie eine Leidenschaft für Origami, zu schweigen von Talent.

Als Thu mir dann die „modernen“ Stoffwindeln zeigte, war ich dennoch weiterhin skeptisch. Windeln waschen? Dann braucht man ja etliche! Wie teuer ist das denn? Und wie entfernt man den Stuhl? Von der Vielzahl der Systeme war ich auch überfordert. Mal ehrlich: AIO, Pop-In, prefolded – Ich erwartete mir von der Zeit als frischgebackener Vater ohnehin genug Stress, Chaos, Neues, musste ich mich da auch noch mit sowas beschäftigen?

Allerdings war ich nicht besonders lange skeptisch. Zum einen: Das Umwelt-Argument. Ich bin kein Fundamentalist, der am liebsten wieder im Wald wohnen würde, aber ich versuche schon, auf eine gewisse Nachhaltigkeit zu achten. Wie viel Müll Wegwerfwindeln tatsächlich produzieren, hatte ich mir vorher nie so richtig überlegt – wirklich bewusst wurde es mir dann im ersten Monat, als wir noch (mangels Neugeborenenwindeln) mit Pampers wickelten. Da achtete man auf einmal auf den Leerungstermin der Restmülltonne, um dann am selben Tag schnell seinen Stinkesack wegzubringen.

Zum zweiten: Der finanzielle Faktor. Ich bin kein BWL’er, aber ich kann einigermaßen kopfrechnen. Ein paar Hundert Euro für die Grundausstattung mit Stoffwindeln gegenüber einer vierstelligen Summe für zwei bis drei Jahre Pampers? Einfache Entscheidung.

Und, drittens: Waren die schick! Ich hatte ja keine Ahnung. Nix mit Mullwindeln, stattdessen zig Farben zur Auswahl und niedliche Muster. Mit Tieren drauf! Manchmal bin ich leicht zu haben.

2. Yeah, Stoffwindeln!

Nach einer kurzen WWW-Episode stiegen wir somit bald auf Stoff um – GroVia. Sie waren gro_action06schick, sie waren simpel, ich mochte das Knopfsystem, wodurch man nicht jedes Mal die komplette Windel waschen musste. Ja, das Waschen war lästig. Aber mal ehrlich: Mit einem Neugeborenen gibt es genug zu tun. Der Mehraufwand fürs Waschen war marginal und verglichen mit dem völlig unfassbaren Gefühl, Vater zu sein, dem Schlafentzug, der ständigen Bereitschaft, falls das Baby schreit, dem Rumtragen, kam das irgendwo weithin auf der Liste, wo es überhaupt nicht mehr ins Gewicht fiel.

Mit Ekelgefühlen schlug ich mich ohnehin nicht lange rum. Ich hatte zuvor, angefangen mit dem Zivildienst, einige Jahre in der Kranken- und Altenpflege gearbeitet, da waren die Hinterlassenschaften eines 4kg-Bündels nun wirklich nichts, was Überwindung kostete (wobei ich später schon ab und zu überrascht war, WAS da an Geruch und Menge so entstand).

Das Gute bei einem Baby ist ja: Man tut anfangs alles so oft, dass man sehr schnell Routine entwickelt. Wickeln mit Stoff? Gib mir ein paar Tage. Okay, kann ich (Wobei, das Kind im Stehen wickeln…. Hm. Ist aber mit Pampers nicht besser).

3. Stoffwindeln. What else?

Wie von Thu bereits beschrieben, fanden wir irgendwann heraus, dass die GroVia  eben nicht für immer hielt. Kann sich ja auch niemand ausmalen, dass so ein Kind die Form verändert. Da die liebste Gattin inzwischen allerdings bereits restlos vom Stoffwindelfieber befallen war, gab es dann nicht schlicht den Umstieg auf EIN anderes System, sondern eben auf… ähm, alle. Ungefähr. Die Pockets von Little Lamb wurden ausprobiert, obwohl ich Pockets ursprünglich für undenkbar befunden hatte. Das Reinstopfen der Einlagen finde ich  ebenso wie das Rausschütteln nach wie vor relativ umständlich, allerdings kann man die nun mal recht flexibel füllen. Und: Sie sind Erzieherinnenfreundlich, weil einfach zu wickeln. Und Erzieherinnen macht man besser keine Mühe.

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Ich probierte eifrig alles aus, beschwerte mich über die ein oder andere, merkte mir Auslaufunfälle und nahm alles entgegen, was die Post so anlieferte. Gut, dass ins Regal einiges reinpasst .

Derzeit nutze ich gerne die New Gen Pop-ins* und die Bottombumpers, weil mir einknöpfbare Einlagen zusagen, aber mit der gDiaper oder der Windelmanufaktur-AI3 sind auch andere Systeme im ständigen Gebrauch. Unabdingbar sind allerdings Vlieseinlagen (bzw. bei uns halbierte Einmalwaschlappen von dm), die man mitsamt eventuellem Stuhlgang ins Klo entsorgen kann.

* Ja, einige Namen musste ich nachschlagen – ich vergesse ständig, wie welche Windel heißt, von wenigen Ausnahmen (Little Lamb, GroVia, gDiaper) abgesehen. Ist ja auch wurscht, dem Kind verkaufe ich sie als „die mit den Schmetterlingen“, „eine rote“ oder „Ringelwindel“.  Bezeichnungen wie „Blueberry OS Simplex AIO“ kann sie dann nächstes Jahr lernen, wenn sie zum Englischunterricht angemeldet wird (nicht wirklich).

Mein Alltag mit Stoffwindeln sieht inzwischen so aus: Morgens  (wenn ich die Disziplin aufbringe, auch schon abends) werden die Windeln für die Krippe vorbereitet, mittags eine für die Nachmittagstasche gepackt, bei der Nachtwindel wechseln wir uns ab. Etwa alle drei Tage wird der große Eimer in die Waschmaschine entleert – per Hand, was mir nichts ausmacht, im Gegensatz zum konzentrierten Ammoniakgeruch. Aber wenn man ab und zu mal wieder mitbekommt, wie ein Windelmülleimer mit WWW riecht (selbst wenn sie einzeln in Tüten verpackt wurden), übersteht man das auch ohne Klagen (Okay, gelogen, ich jammere jedes Mal).

Ansonsten, nunja, waschen. Ich mag das ja: Man stopft die Trommel voll, füllt Waschmittel rein, drückt auf den Knopf und hat schon das Gefühl, was getan zu haben (Noch besser ist nur die Spülmaschine, die muss man hinterher nicht mal sofort ausräumen). Wäsche aufhängen ist eine meiner unbeliebtesten Haushaltstätigkeiten, das ist aber unabhängig von den Windeln ein bedauernswerter Fakt in meinem Leben.

Mit Stoffwindeln beschäftige ich mich eigentlich nicht mehr großartig – ich wickel so vor mich hin. Also genau, wie ich es mir mit der Entscheidung für Stoff damals erhofft hatte: Nach der Findungsphase muss man nicht mehr darüber nachdenken. Man bereitet die Windeln vor, man wickelt, man schmeißt die gebrauchte Windel in die Tonne, ab und zu wäscht man. Fertig. Wer meinte noch, WWW wären viel bequemer? Die muss man schließlich auch einkaufen und entsorgen  (Viel eher frage ich mich ja, was all die Bioladenkäuferinnen und andere um Nachhaltigkeit besorgte Menschen sich wohl denken, wenn sie ihre vollen Müllsäcke zur Tonne bringen müssen – aber das ist ein anderes Thema).

Wer sich dann gerne weitergehend mit Stoffwindeln beschäftigen möchte: Nun, dafür gibt es ja schickgewickelt (und die Windelmanufaktur undundund…)

Da Thu mir mit ihrer Leidenschaft ohnehin ständig drei Schritte voraus ist (und den Blog ja auch nahezu alleine betreibt), suche ich ab und zu ein paar Muster oder Farben bei neuen Modellen aus und bin damit auch ganz zufrieden.

Fazit? Schlicht und einfach:  Stoffwindeln funktionieren. Sie sind nicht umständlich (Reisen vielleicht ausgenommen), sie sind nicht unsicher, sie sind nicht teurer – dafür sind sie umweltfreundlich und verdammt nochmal viel, viel schicker als jede Wegwerfwindel. Ich habe eine Weile gebraucht, aber nun bin ich Überzeugungstäter.

Zu Besuch bei der Windelmanufaktur

Letzte Woche war ich mit meiner Familie für ein paar Tage in Dresden und habe Stephanie von der Windelmanufaktur besucht. Ich sag euch, das ist mal ein Spaß, mit einem Koffer voll Stoffwindeln anzureisen und einen Haushalt voll Stoffwindeln anzutreffen… 😉 Eine kleine Anekdote zum Start:

Wir betreten den Garten nach über vierstündiger Zugfahrt. Ich erwähne, dass unsere Tochter bald gewickelt werden müsste. Da sagt die Mittlere von Stephanie mit erhobenem Zeigefinger: „Wir verwenden Stoffwindeln. Wegwerfwindeln machen nämlich so viel Müll!“ Na, da haben wir aber Glück gehabt, dass wir den Konventionen der Gastgeber entsprachen.

Es wurde gefachsimpelt, verglichen und natürlich anprobiert. Ganz spannend natürlich war der Besuch des Ateliers – der Kreativitätsschmiede für die meiner Meinung nach aktuell besten Stoffwindeln aus Deutschland. Hier sind beispielsweise die ersten Modelle überhaupt.

Prototypen
Prototypen

Auch die neuen Stoffe für die Außenwindeln durfte ich bewundern:

An diesen Zuschnitten kann man schön erkennen, dass auch die Details stimmen. Das oberste Modell ist in der Mitte geteilt, so dass das Muster sowohl von vorn als auch von hinten richtig herum angezeigt wird.

Zuschnitte
Zuschnitte
Außenwindel mit Futterstoff
Außenwindel mit Futterstoff

Natürlich darf die Snapmaschine nicht fehlen,

Snapmaschine
Snapmaschine

und auch nicht die Kettelmaschine samt Garnen.

Bei der Gelegenheit habe ich mir auch meine WM-Windel zusätzlich snappen lassen, damit die Leibhöhe der Außenwindel noch ein Stück verkleinert werden kann. Dies ist besonders praktisch, wenn man die Windel tagsüber nicht so sehr zu stopfen braucht.

Stephanie bei der Arbeit
Stephanie bei der Arbeit

Und hier kann sich wahrscheinlich schon längst eine Familie über ihr neues Stoffwindelpaket von der Windelmanufaktur freuen.

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Ich war sehr beeindruckt von dem Einblick in dieses kleine aber feine Atelier. Besonders begeistert hat mich die Stoffvielfalt. Stephanie hat wirklich ein tolles Händchen für Stoffe und Muster von hoher Qualität und besonderer Ästhetik. Meine Güte, was da alles ans Baby ran darf!

Ach, was ich fast vergaß. Dresden ist natürlich auch so einen Besuch wert 😉